Irland/Polen/Griechenland/Spanien/Slowenien/Türkei
Irland : Widerstand gegen die Wasserprivatisierung
von Paul Murphy
Ein schwerer Angriff auf das Demonstrationsrecht wird gerade vom irischen Staat durchgeführt. Hintergrund ist die erfolgreiche Massenbewegung gegen die Einführung von Wassergebühren. Diese waren von der Hälfte der Bevölkerung boykottiert worden. Die Regierung musste den Einzug der Gebühren stoppen. Nun wurde ein Siebzehnjähriger der Freiheitsberaubung der ehemaligen stellvertretenden Premierministerin Joan Burton schuldig gesprochen. Er hatte an einem Protest teilgenommen, der eine Sitzblockade und einen langsamen Demonstrationsmarsch beinhaltete, bei dem das Auto der Regierungspolitikerin aufgehalten worden war. Der Anwalt des Jugendlichen nannte das Urteil ein « Rezept für Totalitarismus « . Der Richter erklärte, dass der « Protest nicht den Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention genieße » , weil er im Widerspruch zur « öffentlichen Ordnung und Moral » gestanden habe. Dieser Unrechtsspruch soll den Weg bereiten, mich und siebzehn weitere volljähirge Angeklagte wegen Freiheitsberaubung oder ähnlicher Anklagen ins Gefängnis zu stecken. Die Gerichtsprozesse werden im kommenden Jahr stattfinden. Wir organisieren Opposition dagegen von allen, die verstehen, dass « ein Unrecht gegen eine Person ein Unrecht gegen alle ist ». Denn alle, die protestieren wollen – Gewerkschaftsmiutglider, Antikriegsaktive, Feministinnen – sind durch dieses Urteil bedroht. Wir rufen auch Aktivistinnen und Aktivisten in ganz Europa zur Solidarität auf.
Paul Murphy, Abgeordneter der « Anti-Austerity-Alliance » und Mitglied der Socialist Party (links im Bild)
Der « Schwarze Protest» der polnischen Frauen
Tiphaine Soyez
Weniger als ein Jahr nach ihrem Wahlsieg wird die konservative Partei »Recht und Ordnung » (PiS) von einer massiven Protestbewegung gegen ihre reaktionäre Politik heraus gefordert. Am 3. Oktober waren Frauen zum «Streik» aufgerufen gegen eine Gesetzesvorlage zum uneingeschränkten Abtreibungsverbot. 140.000 Frauen gingen auf die Straße. Die meisten Frauen nahmen sich dafür einen Tag Urlaub. Die das nicht konnten, kleideten sich schwarz. Als «schwarzer Protest » wird die Bewegung auch bezeichnet.
Diese Bewegung beeindruckt durch ihre Spontaneität. Entscheidungen werden in sozialen Foren diskutiert und entschieden. Eine neue Schicht junger Menschen nimmt an diesem Kampf teil.
Seit dem Streiktag haben weitere Aktionen stattgefunden. Am 24. Oktober gab es einen weiteren Aktionstag. Der Gesetzesentwurf musste zurückgezogen werden. Der « Schwarze Protest » hat das enorme Potenzial des Kampfs für das Recht auf Abtreibung gezeigt.
Tiphaine Soyez, Aktivistin des « Schwarzen Protests » in Krakau
Winterjacken aus Decken aus Idomeni
Dorothee Vakalis
Als das Lager in Idomeni Ende Mai aufgelöst wurde, wurden tausende UNHCR-Decken einfach entsorgt. Es gab bei den Organisationen kein Budget für Reinigungen. „Wir lassen einige reinigen und machen daraus schicke Jacken“, beschlossen die Mitglieder der Werkstatt für Flüchtlinge mit dem Namen NAOMI in Thessaloniki. Sonja, die Schnittmuster-Direktrice entwickelte vier Modelle. Elke, die Textilingenieurin, zauberte die ersten Exemplare. Das Label: remember Idomeni by NAOMI.
Seit vier Jahren organisiert das NAOMI-Team Nähgruppen für Flüchtlinge. Da AsylbewerberInnen, die jahrelang auf einen Bescheid warten müssen, keine Grundversorgung, wurde dieses Angebot gern angenommen. Nähen oder Änderungen vornehmen spart Geld.
In den letzten Monaten kommen Profi-SchneiderInnen aus Syrien hinzu. Hassan holen sie aus einem Camp, er betrieb mit seinen jungen Jahren eine Fabrik für elegante Damenkleider in Damaskus. Er brennt darauf, tätig zu werden. Und mit ihm andere. Die Produkte findet man auf der Website und kann sie gegen eine Spende erwerben.
NAOMI will SchneiderInnen vorbereiten auf ein Arbeiten in Europa. Auch Griechenland war einst ein Textilland. Das Gebäude, in dem NAOMI mit anderen NGOs zu finden ist, war einst ein Fabrikgebäude mit Textilfirmen. Nun rattern hier wieder Industrie-Maschinen. Die Integration von Geflüchteten und Migrant*innen sehen die NAOMI- Mitglieder als Herausforderung und Chance für Griechenland. Dazu müssen jedoch schnell umfassendere Fördermaßnahmen entwickelt werden.
Infos: www.naomi-thessaloniki.net/Produkte
Spanien: Generalstreik der Jugend
Am 26. Oktober beteiligten sich rund zwei Millionen Schülerinnen, Schüler und Studierende an einem Generalstreik, der vom Sindicato de Estudiantes (SE) (etwa: Studierenden-Gewerkschaft) organisiert wurde. 200.000 nahmen landesweit an über sechzig Demonstrationen teil. Unterstützt wurden sie landesweit vom Elternverband und regional von Gewerkschaftsorganisationen.
Hintergrund ist der Plan der Regierung, so genannte „Revalidierungen“ einzuführen. Dabei handelt es sich um zahlreiche zusätzliche Abschlussprüfungen am Ende der Schulzeit, die für den Zugang zu Hochschulen entscheidend würden. Es gab sie in der Franco-Zeit, als das Bildungssystem noch stärker Kinder aus der Arbeiterklasse aussortierte. Der Sindicato de Estudiantes weist deshalb darauf hin, dass dieser Regierungsplan hunderttausende Arbeiterkinder von einem Studium ausschließen würde. Gefordert wird nicht nur die Rücknahme dieser „Revalidierungen“, sondern die Rücknahme aller Kürzungen, mehr Geld für den Bildungsetat und die Wiedereinstellung der in den letzten Jahren entlassenen Lehrkräfte.
Für den 24. November hat di Gewerkschaft einen neuerlichen Generalstreik angekündigt, sollte die Regierung ihre Pläne nicht fallen lassen.
Widerstand gegen Hafen-Privatisierung (Koper, Slowenien)
Jede Regierung seit der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens 1991 hat versucht, den Hafen von Koper zu privatisieren, und es gibt immer Druck von außen. Einer der wichtigsten Interessenten ist die Deutsche Bahn. Aber auch die Österreichischen Bundesbahnen dürften interessiert sein, denn Koper ist auch der wichtigste Hafen für österreichische Produkte. Im Endeffekt ist es aber egal, woher das Kapital kommt, sie alle wollen ein neoliberales Konzept in Koper etablieren.
Am Freitag, dem 1. Juli, haben wir zu arbeiten aufgehört und mit den schweren Maschinen den Eingang zum Hafen blockiert. Der Grund war, dass die Regierung die Lizenzvergabe für den Hafen ändern will. Das würde dazu führen, dass private Konzerne sich in den Hafen einkaufen können. Das wären die ersten Schritte in Richtung Privatisierung. Und das wäre verheerend für die mehr als eintausend Beschäftigten. Die neuen Regeln sollten auf der Eigentümerversammlung am 1. Juli beschlossen werden. Ursprünglich wollten wir die blockieren. Aber die Regierung hat Spezialeinsatzkräfte nach Koper gebracht, um das zu verhindern. Deshalb haben wir uns am Abend davor entschieden, den Hafen zu versperren. In nur wenigen Stunden haben wir eine sehr starke und radikale Aktion auf die Beine gestellt. Am Montag, also am 4. Juli, war der Premierminister dadurch gezwungen, sich öffentlich von den Privatisierungsversuchen zu distanzieren. Der Protest reichte, um die Regierung fürs Erste zum Einlenken zu bewegen. Aber sie werden sicher wieder versuchen zu privatisieren. Es gibt starken Druck von internationalen Konzernen. Wir hoffen, dass wir stark und organisiert genug sind, um solche Versuche auch in Zukunft abzuwehren.
Mladen Jovicic und Boris Bradac von der „Kranführergewerkschaft des Hafens von Koper” (SZPD). Aus einem in der Tageszeitung <I>junge Welt<I> erschienenen Interview.
Putsch in der Türkei: 55 Tage Widerstand entlassener Lehrerinnen und Lehrer
Weil sie, als Teil eines landesweiten Friedensprotestes, an einer Arbeitsniederlegung der linken Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen am 29. Dezember 2015 teilgenommen hatten, sind am 8. September dieses Jahres 11.285 Lehrerinnen und Lehrer per Notstandsdekret wegen angeblicher Terrorunterstützung – hier: der PKK – entlassen worden. 928 der Betroffenen leben in Hatay, der südlichsten Provinz der Türkei, und davon wiederum 223 in der Gemeinde Samandağ. Am 12. September kamen dort Hunderte zu einer Versammlung gegen die Entlassungen zusammen. Gemeinsam wurde beschlossen, ab sofort und bis auf weiteres täglich eine Sitzblockade auf dem zentralen Abdullah-Cömert-Platz abzuhalten. Und so geschieht es seitdem: am 2. November 2016 zum 55. Mal. „Öğretmenime dokunma – Fass meinen Lehrer nicht an!“ – lautet der Slogan zum Protest. Womit bereits deutlich wird, dass zum Kreis der Betroffenen nicht nur Lehrerinnen und Lehrer gehören, sondern selbstredend auch deren Schülerinnen und Schüler – die wiederum ihre Eltern mitbringen. Seit 55 Tagen. Unterstützung gibt es selbstverständlich von Gewerkschaftsvertretern – und sogar von einigen Vertretern der örtlichen, sozialdemokratisch-kemalistischen CHP. Angesichts der Entlassungen erklären die protestierenden Lehrerinnen und Lehrer unverdrossen: „Wir werden uns der Repression nicht beugen!“ Am 55. Protesttag haben sie unter der Überschrift „Ich kümmere mich um meinen Lehrer“ eine Plattform gegründet, die nicht nur die Betroffenen unterstützen, sondern auch Widerstand und Hoffnung in der Bevölkerung verbreiten soll. Die Sitzblockaden sollen weitergehen.