von Heike Hänsel /Giorgos Pagoudis/Werner Rügemer
Auch beim diesjährigen G20-Gipfel ist Afrika Thema. Während Bundesregierung und EU ständig von „Entwicklung für Afrika“ und „Bekämpfung von Fluchtursachen“ reden, treiben sie die tödliche Freihandelspolitik voran. Die „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ (EPA) mit den afrikanischen Ländern werden zum Abschluss gebracht. Dies „Partnerschaft“ zu nennen, ist zynisch: Die EU hat diese Abkommen gegen den erklärten Willen zahlreicher Staaten mit erpresserischen Methoden durchgedrückt.
Damit werden die afrikanischen Länder u. a. zum Abbau von Schutzzöllen und zur Öffnung ihrer öffentlichen Beschaffungsmärkte verpflichtet. Sie müssen so wichtige entwicklungsförderliche Steuerungsmöglichkeiten zugunsten des freien Marktzugangs für europäische Konzerne preisgegeben. Die Folge: Die kolonial entstandene Struktur der internationalen Arbeitsteilung zwischen industrialisierten Ländern im Norden und den Rohstofflieferanten im Süden werden zementiert. Betroffen sind v.a. Länder mit zaghafter Industrialisierung. Freihandel ist Fluchtursache! Wer ernsthaft sich für Perspektiven der Menschen im Süden einsetzt, muss mit ihnen gemeinsam den Kampf gegen Freihandel führen.
Kein Recht auf Traum
Giorgos Pagoudis
Das EU-Türkei-Abkommen, die Brüssel-hörige Politik der griechischen Regierung und die Xenophobie großer Teile der Bevölkerung bestimmt das Schicksal der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln der nordwestlichen Ägäis. Dort versuchen rund 10.000 Flüchtlinge zu überleben – zusammengepfercht in sieben Lagern auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros. Sie werden von dem defizitären griechischen Staat und den wenigen verbliebenen, erschöpften Aktiven der NGOs notdürftig alimentiert.
Um sie herum gibt es eine im besten Fall neutrale öffentliche Meinung (z.B. auf Leros und Kos). Aber auch neonazistische Überfälle (auf Chios). Das schlimmste Beispiel waren Angriffe mit Steinen und Molotow-Cocktails der Faschisten der Goldenen Morgenröte gegen die Flüchtlingssiedlung von Souda am 16./17. November 2016 – in Anwesenheit einer gleichgültigen Polizei.
Die Flüchtlinge hören täglich von den Einheimischen, dass sie verjagt würden. Sie spüren, dass sie unerwünscht sind. Sie versuchen zu erklären, dass sie ja gehen wollen – auf das Festland, nach Deutschland, anderswohin. Vergeblich: Sie bleiben über Monate in den Flüchtlingslagern gefangen bis die Asyl-Behörden entscheiden, ob sie ein Anrecht auf ihren Traum haben.
EU, Investorenherrschaft und Nationalismus
Werner Rügemer
Dem Front National und der AfD werden von den EU-Gutmenschen Nationalismus und Rechtspopulismus vorgeworfen. Richtig! Aber Merkel, Schäuble, Juncker, Dijsselblom fördern selbst Rechtspopulismus – im Dienst globaler Wildwest-Investoren. Ergebnis: Niedriglöhnerei und Armut für die vielen, explodierender Reichtum für die wenigen. Feindbilder Russland und Terrorismus, Angst, Aufrüstung.
Juncker, Präsident der EU-Kommission, schützt nationalistisch sein kleines Großherzogtum Luxemburg als größte Finanzoase in der EU. Eurogruppen-Chef Dijsselbloem schützt nationalistisch die Niederlande als besonders günstigen Ministeuer-Standort. Merkel und Schäuble decken Juncker und Dijsselblom und präsentieren Deutschland als stolze europäische Über-Nation. Was hat die von den Kerneuropa-Gutmenschen beförderte EU-Osterweiterung gebracht? Mit dem antikommunistischen und antistaatlichen Furor wurden überall nationalistische und rechtspopulistische bis faschistoide Kräfte an die Regierung gebracht – u.a. in der Ukraine, im Kosovo, in Kroatien, Polen, Serbien, Bulgarien. Das heißt in Polen zum Beispiel: 300 Sonderwirtschaftszonen für General Motors, Toyota, Amazon, VW, BASF. Staatliche Zuschüsse für die Konzerne und 2,70 Euro Stundenlohn für die Arbeiter. Allein aus Polen sind 2,4 Millionen Menschen ausgewandert nach Berlin, London und Barcelona, um die dortigen Niedriglöhner zu unterbieten.
Das Führungspersonal dieser EU stinkt vom Kopfe her: Es muss abgelöst werden!
H. Hänsel ist entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag // G. Pagoudis ist Korrespodent der griechischen Tageszeitung EFSYN auf Chios / W. Rügemer ist Publizist, Stadtführer und Mitbegründer der aktion gegen arbeitsunrecht.