Altenpflege – Mehr Arbeit, weniger Personal
Die vermehrten Todesfälle in Pflegeheimen haben die Situation in den Altenpflegeeinrichtungen ins Zentrum gerückt. Wie auch in vielen anderen Bereichen, mangelt es an Personal. Barbara L. (Name von der Redaktion geändert) arbeitet in einem kirchlichen Altenheim. Mit ihr sprach Violetta Bock.
Wie viele Beschäftigte und BewohnerInnen sind bei euch?
Wir sind etwa 30 Beschäftigte und je 25 Bewohner auf zwei Etagen. Aber natürlich sind wir nie gleichzeitig da. Wir arbeiten in Schichten und kaum jemand in Vollzeit. Fast alle sind Teilzeitkräfte. Außerdem befindet sich nebenan das betreute Wohnen. Wenn dort irgendjemand klingelt, sind wir auch zuständig. Was gar nicht geht, ist die Nachtschicht. Sie dauert von abends 20 Uhr bis morgens um 6 Uhr. Da ist man allein für beide Etagen und im Notfall auch für das betreute Wohnen zuständig. Fällt eine Pflegeperson um, merkt das kein Mensch. Natürlich gibt es auch mal Leerlauf, wenn fast alle schlafen, aber meistens rennt man sich da ‚nen Wolf. Das ist Wahnsinn. Die Bewohner müssen gelagert werden, etwa 60 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner sind dement. Das ist einfach furchtbar.
In der Tagschicht sind wir ungefähr drei pro Etage plus eine Person für die Hauswirtschaft, zwei gehen schon nach vier Stunden. Pause haben wir etwa eine halbe Stunde.
Wie sieht eine normale Schicht aus?
Morgens holen wir die Leute aus dem Bett, die Diabetiker bekommen ihre Spritze oder werden gemessen, wir waschen, lagern, helfen beim Anziehen und Duschen. Um 8 Uhr gibt es Frühstück, teils reichen wir das Essen an. Natürlich muss alles dokumentiert warden. Das sind dann nochmal 30 Minuten am PC für Eingaben, die nicht stimmen. Besonders tragisch finde ich: Man möchte sich wirklich mal um den einzelnen Bewohner kümmern. Die sind ja auf eine Art von zu Hause abgeschoben worden. Und wenn sie bei uns sind, möchte man auch mal ein privates Wort mit ihnen sprechen oder sich ihre Probleme anhören. Aber das geht nicht. Es gibt einfach keine Zeit dafür.
Die Pflegedienstleitung sieht zu, dass sie die Zimmer vollkriegt. Wenn einer gestorben ist, da ist das Bett noch warm und schon muss wieder wer neues rein. Time is cash, time is money. Leere Betten gehen gar nicht. Schnell sauber gemacht, eben noch herzliches Beileid und der nächste. Das kanns doch nicht sein. Bei uns kostet ein Platz etwa 3500 Euro, das ist also noch im gehobenen Segment. Jetzt haben wir Aufnahmestopp wegen der Ansteckungsgefahr.
Was hat sich noch seit Corona geändert?
Alle Beschäftigungen im Haus, in den Aufenthaltsräumen, das fällt alles weg. Es gibt keine Gruppenbeschäftigung mehr, jeder soll nach Möglichkeit auf seinem Zimmer bleiben. Gegessen wird normalerweise zu dritt oder zu viert, das gibt es jetzt nur noch einzeln. Und dadurch, dass das jetzt in jedem Zimmer einzeln läuft, haben wir natürlich viel mehr zu tun. Wir sollen die Überstunden aufschreiben, ok, aber erst ab einer halben Stunde. Und Überstunden machen wir ja immer. 30 Überstunden sind normal. Stressig ist es immer. Aber jetzt ist es noch schlimmer. Die Kollegen werden öfter krank. Dann wird es noch schwieriger, Ersatz zu finden. Einer hatte schon sechs Tage und soll den siebten dann auch noch einspringen. Wieso arbeitet nicht auch mal die Pflegedienstleitung? Die kann doch nicht nur das dicke Geld einstecken. Wir kriegen dagegen nicht mal eine Flasche Wasser. Erst ab 30 Grad sagt unser Geschäftsführer, jetzt dürft ihr euch ein Wasser nehm en.
Habt ihr Schutzkleidung bekommen?
Wir haben noch keinen Fall von Corona, aber man hört von katastrophalen Fällen. Von einem Pflegeheim heißt es, dass es dort eine Anzeige gab und die Pflegedienstleitung erstmal beurlaubt wurde. Seitdem das bekannt wurde, springen die bei uns auch. Wir haben jetzt seit April Kleiderschutz, Mundschutz, das hatten wir vorher alles nicht. Mundschutz wurde für uns aus Baumwolle genäht, er schützt die Bewohner vor uns.
Wie ist die Stimmung unter den BewohnerInnen?
Die Dementen verstehen es nicht richtig. Wir haben aber auch noch einige fitte Leute, und für die ist es deprimierend. Sie dürfen nicht raus und verstehen nicht, dass die Tochter oder der Sohn nicht kommen kann.
Was sollte sich ändern?
Wochenend- und Feiertagsarbeit muss attraktiver werden bei besserer Bezahlung. Es will ja niemand am Wochenende arbeiten. Da bräuchte man höhere Zuschläge. Wir sind ein gutes Team. Wir brauchen auch Zeit für uns. Wenn wir streiken würden, würden die Bewohner darunter leiden, und wir wollen ihnen ja helfen. Und ob es ein Extrageld gibt, da warten wir jetzt mal drauf.
Jeder Mitarbeiter ist so wichtig. Ohne Chef können wir dagegen weiterarbeiten. Man merkt es nicht, wenn die Chefin im Urlaub ist – da geht alles seinen Gang. Wir wissen, was wir zu tun haben. Und wir machen das auch. Wenn die Chefin allein da wäre, ich glaube, sie wüsste gar nicht, was sie zu tun hätte.
Die Solidarität in den Zeiten der Pandemie
Corona-Test in Indien teurer als ein Monatslohn
In Indien haben sich Gewerkschaften und linke Aktive in einer Kampagne für kostenlose Covid-19-Tests und kostenlose Behandlung im Gesundheitswesen zusammengeschlossen. Hintergrund ist die Tatsache, dass solche Tests 4500 Rupien (ca. 55 Euro) kosten. Ein Beschluss des Obersten Gerichtshofs, die Tests kostenlos zur Verfügung zu stellen, wurde unter dem Druck der privaten Labor- und Krankenhausbetreiber wieder rückgängig gemacht.
Die Kampagne, an der sich unter anderem die Bank- und Landarbeitergewerkschaften des Bundesstaats Maharashtra, sowie der dortige Gewerkschaftsdachverband INTUC beteiligen, weist darauf hin, dass der Monatslohn vieler Krankenhausbeschäftigter unter dem Preis eines Tests liegt. Sie kritisiert die Privatisierungen, die im Gesundheitswesen über die letzten Jahrzehnte stattgefunden haben. Entsprechend fordern sie die Überführung der Labore und Krankenhäuser in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle, eine ausreichende Versorgung mit Schutzkleidung für das medizinische und das Pflegepersonal sowie einen Mindestlohn von 25.000 Rupien für die Beschäftigten im Gesundheitswesen.
Die Kolleginnen und Kollegen bitten um internationale Unterstützung.
Mails an: newsocialist.in@gmail.com