Der G20-Gipfel löst keine Probleme. Die G20 sind Teil des Problems
Donald Trump macht nicht alles wahr, was er vor seiner Wahl androhte. Geert Wilders wurde bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden auf einen mittleren Rang verwiesen. Der zukünftige französische Präsident Macron ließ bei seiner Siegesfeier die EU-Hymne erklingen. Und in Athen tanzt die Syriza-Regierung nach der Pfeife der Gläubiger.
Der Wind hat sich gedreht. Schlagzeilen wie „neuer Handelskrieg“ oder „EU in der Krise“ sind verschwunden. Die Kanzlerin gibt sich als coole Gastgeberin und verkündet heiter, dass die 50-Millionen-Euro-Show der G20 in Hamburg am 7. und 8. Juli zwar wohl kein Ergebnis haben würde, dass dies jedoch gut sei, denn: „Auch das Halten des Erreichten ist manchmal schon ein Erfolg.“
Dabei gibt es solche und solche Gipfel. Der Sinn der kommenden Nato-Tagung am 24./25. Mai in Brüssel ist erkennbar. Dort werden sich die westlichen Kriegstreiber über die weitere Einkreisung Russlands, über eine mögliche Eskalation in Syrien und über das Ziel Totrüsten von Russland und China unterhalten. Auch zeichnet sich die strategische Aufgabenstellung des kommenden G7-Treffens am 26./27. Mai im sizilianischen Taormina ab: Die Vertreter des „alten“, westlichen Kapitalismus werden dort unter anderem darüber beraten, wie die aufstrebende kapitalistische Macht China eingedämmt werden kann.
Doch welchen Sinn macht das G20-Treffen? Eine teilweise Antwort liefern die zwei Geburtsstunden der G20. Erstmals ins Leben gerufen wurde die Gruppe 1997 als Reaktion auf die Asienkrise, in der vor allem die asiatischen Tigerstaaten und Russland fast kollabierten. Richtig in Fahrt kam die G20 dann 2008 mit der neuen großen Krise, in der die Weltwirtschaft einige Monate lang am Abgrund stand. Die G20 sind ein Kind verschärfter kapitalistischer Krisen.
Bei ihrem kommenden 23. Gipfel in Hamburg verfolgen die G20 drei Ziele:
Erstens geht es um das Vortäuschen von Handlungsfähigkeit. Motto: Alles im Griff. Auf der G20-Tagesordnung stehen die zentralen Themen der Menschheit. Gesprochen wird über „Klimawandel“. Doch es sind die G20-Staaten, die für 95 % der klimaschädigenden Emissionen Verantwortung tragen. Ein G20-Tagesordnungspunkt heißt „Frieden“. Doch es sind G20-Staaten wie USA, BRD, Frankreich und die EU als Ganzes, die für die meisten dieser Kriege Verantwortung tragen. Ein Tagesordnungspunkt lautet „Bekämpfung der Fluchtursachen“. Doch die G20-Staaten stehen für 90 Prozent aller Waffenexporte, die wiederum eine entscheidende Ursache für massenhafte Fluchten sind. Ganz offensichtlich sind die G20 nicht Problemlöser, sondern die Produzenten von Problemen und Katastrophen.
Zweitens geht es beim G20-Gipfel um die ideologische Absicherung des gemeinsamen Ziels aller Kapitalmacht-Vertreter: mehr Profit durch weniger Menschenwürde. Obgleich – oder weil – die G20 ein Kind der Krise sind, erweisen sich die wirtschaftspolitischen Positionen der G20 in aller Regel als gegen die Armen und gegen die arbeitende Bevölkerung gerichtet. So forderte der G20-Gipfel in Toronto 2010, die Haushaltsdefizite der Industrieländer bis 2013 „zu halbieren“ und ab 2016 „mit dem allgemeinen Schuldenabbau zu beginnen“. Damit wird eine Rechtfertigung geliefert für die brutale Sparpolitik auf dem Rücken von Rentnern, Lohnabhängigen und Verarmten. Das Exempel, das dabei EU und IWF an Griechenland statuieren, dient als Warnung für alle: Es kann noch viel schlimmer kommen! Die Politik der G20 erweist sich in der Regel als Beitrag zur Vertiefung der Krise.
Drittens geht es beim G20-Summit um das Vortäuschen einer informellen Weltregierung bei gleichzeitiger Desavouierung der Vereinten Nationen (UN). Man sei repräsentativ, so die G20: In Hamburg würden sich die Köpfe der „19 wichtigsten Staaten der Welt“ plus die EU-Vertreter treffen, die wiederum für 88 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts stünden. Damit klammern die G20 bereits eine Milliarde Kleinproduzenten und den gesamten informellen Sektor der Weltwirtschaft aus. Ganz Afrika mit 1,2 Milliarden Menschen wird nur von einem einzigen Staat „vertreten“ – von Südafrika mit 54 Millionen Menschen. Warum ist Saudi Arabien G20-Staat? Weder die Bevölkerungszahl (0,4 % der Weltbevölkerung), noch der Anteil am Welt-BIP (0,8%) rechtfertigen dies. Öl (er)schlägt Mensch.
Letzten Endes geht es bei den beiden Staatsgruppen G7 und G20 darum, die einzig sinnvolle, nicht direkt an Kapitalinteressen gebundene Vertretung der Weltbevölkerung, die UN, zu unterminieren. Man will vergessen machen, dass im Rahmen dieser Vereinten Nationen weltbewegende Debatten stattfinden. Ein Beispiel: Im März 2017 begannen in der UN-Vollversammlung die Verhandlungen über Verbot und Ächtung aller Atomwaffen. Doch angeführt von den USA lehnt die Mehrheit der G20-Staaten solche Verhandlungen ab. Auch die deutsche Regierung verweigert eine Teilnahme. Im Klartext heißt dies: Die Regierungen dieser Länder drohen damit, einen Krieg auch mit atomaren Massenvernichtungswaffen zu führen.
Die Herausforderungen, vor denen die Weltbevölkerung steht, sind so existentiell wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Es geht um Hunger, Klima und Krieg. Ohne Zweifel würde der gesellschaftliche Reichtum in der Welt ausreichen, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Doch wie ist der Reichtum verteilt? Inzwischen verfügen acht Milliardäre mit 426 Milliarden US-Dollar über ein Vermögen, das größer ist das dasjenige der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung. Und diese Umverteilung von unten nach oben setzt sich Tag für Tag fort. Dabei geht es nicht allein um falsche oder richtige Politik. Es ist letzten Endes der Kapitalismus, der den Reichtum konzentriert. Es ist das in Öl, Bergbau und Auto angelegte Kapital, das das Weltklima zerstört. Es ist die Profitorientierung der Agrarlobby, die die Beseitigung des Hungers und ein Leben in Menschenwürde verhindern. Es ist die Kapitallogik von Expansion und Konkurrenz, die Kriege fördert und Massenfluchten auslöst.
Ja, es gilt: Make capitalism history – Kapitalismus ab in die Tonne! Notwendig sind das gemeinsame Engagement für Demokratie und eine solidarische Gesellschaft.[*]
* Zitiert wurde bei „make capitalism history“ das Mobilisierungsplakat „G20 Hamburg 2017“, auf dem sich dieser Slogan befindet und das auf Seite 1 dieser Ausgabe von der FaktenCheck:EUROPA abgebildet ist.