Alles muss raus – ins Ausland!

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Privatisierungen in Griechenland – eine endlose Liste

von Ralf Kliche

Anfang Mai 2017 wurde in den Medien der „Kompromiss“ im aktuellen Schuldenstreit mit Griechenland bestätigt: Er sieht insbesondere eine weitere Rentenkürzung ab 1. Januar 2019 um bis zu 18 Prozent und höhere Steuern vornehmlich für die Armen durch Senkung des Steuerfreibetrages von 8636 Euro auf ca. 5681 Euro pro Jahr vor. Im Gegenzug soll es zur Auszahlung der nächsten Kredittranche kommen.

Damit wird implizit bestätigt, dass die griechische Regierung den Privatisierungsanforderungen nachkommt, zu denen sie sich im 3. Memorandum 2015 verpflichtet hatte. Die Regierungspartei Syriza hat sich zu einem verlässlichen Partner in der Umsetzung der Austeritätspolitik (auch) durch Privatsierungen entwickelt:

  • Im September 2016 wurde der zugesagte neue Privatisierungs-„Superfonds“ gegründet. Zur Privatisierung eingebracht wurden u. a. die staatliche Elektrizitätsgesellschaft DEI, die Wassergesellschaften von Thessaloniki und Athen (EYATH und EYDAP), aber auch z.B. die Metrobetriebe von Athen und der Fahrzeughersteller ELVO.
  • Im November 2016 wurde Stergios Pitsiorlas, der Chef der weiterhin bestehenden Privatisierungsgesellschaft TAIPED – eine griechische Treuhand – in die Regierung berufen und zum Staatsekretär im Wirtschaftsministerium ernannt. In dieser Position lobt er jetzt öffentlich den Erfolg der Privatisierungen.
  • Im April 2017 forderten in einer Syriza-internen Diskussion über den angesprochenen „Kompromiss“ drei ehemalige Syriza-Minister und zehn weitere führende Mitglieder Neuwahlen oder ein Referendum vor der Ratifizierung der neuen Sparmaßnahmen: Dazu zählten z.B. der ehemalige Schifffahrtsminister Thodoris Dritsas und der hoch angesehene Ex-Bildungsminister Nikos Filis. Sie argumentierten, dass vor dem Beschluss zur Einsparung von weiteren 3,6 Milliarden Euro die Zustimmung der Partei und der Bevölkerung eingeholt werden müsse. Nach heftiger Diskussion durfte am Ende nicht einmal über den Antrag abgestimmt werden.

Das zweite große Privatisierungsprojekt neben den Flughäfen, das in Deutschland wegen des Profiteurs Fraport relativ bekannt sein dürfte, ist die Privatisierung der Wasserwerke von Athen und Thessaloniki. Der erste Privatisierungsversuch war 2014 nach einem Referendum mit 98,2% Gegenstimmen gescheitert. Das Oberste Gericht hatte das Vorhaben für verfassungswidrig erklärt und die Syriza-Regierung hatte sich gegen diese Privatisierung ausgesprochen. Mitte 2016 wurden die Wasserwerke aber auf Druck der Kreditgeber (EU und IWF) in den neuen „Super-Privatisierungsfonds“ aufgenommen und sollen jetzt zu 49 Prozent privatisiert werden – wobei auch die operative Leitung bei einem privaten Investor liegen soll. Mit der Begrenzung auf 49 Prozent soll dem Verfassungsgerichtsurteil formal Rechnung getragen werden. Die Gewerkschaft der Beschäftigten wehrt sich gegen diese Pläne und vernetzt sich mit ähnlichen Initiativen im Ausland. Es gibt eine internationale Sammlung von Unterschriften in mehreren Sprachen – mehr als 126.000 haben schon unterschrieben.

Auch bei der Privatisierung des zentralen griechischen Stromversorgers DIE versuchen die Kreditgeber, die griechische Regierung zu noch mehr Privatisierung zu drängen, als ohnehin zugesagt. Der gesamtgriechisch arbeitende Konzern deckt derzeit den Bedarf von rund 90 Prozent der privaten Stromverbraucher und ist zu 51 Prozent in staatlichem Besitz. Im 3. Memorandum war zugesagt, diesen Marktanteil bis 2020 auf unter 50 Prozent zu senken – jetzt wurde auch gefordert, Kraftwerke zu verkaufen. Im aktuellen Kompromiss scheinen sich die Kreditgeber nicht durchgesetzt zu haben. In der Vergangenheit war es aber oft so, dass die kleinen „Siege“, die die griechische Regierung in den Verhandlungen erreichen konnte, in den nächsten Verhandlungsrunden wieder in „Niederlagen“ gedreht wurden (bei Renten hatte Tsipras z.B. früher zugesichert, dass es zu keinen weiteren Rentenkürzungen kommen werde, ähnlich in der Frage des Steuerfreibetrages).

Die „aktuelle“ Privatisierung ist die des Hafens von Thessaloniki. Nachdem der Hafen von Piräus schon vorher an den chinesischen Cosco-Konzern verkauft wurde, ist bei diesem Deal wieder ein deutsches Unternehmen beteiligt (ein Hedge-Fonds mit Sitz in München), ebenso wie der russische Oligarch Savidis, der jüngst durch eine Gesetzesänderung von einer Strafzahlung über 36 Millionen Euro entlastet wurde. Das Konsortium übernimmt 67 Prozent der Hafen-Anteile. Wie bei den Flughäfen wird eine langfristige Konzession vergeben, hier bis 2051. Dafür wurden Investitionen über 180 Mio. Euro zugesagt. Aus Konzessionsabgaben und Dividenden für den restlichen Aktienanteil erwartet der griechische Staat Einnahmen von mehr als 170 Millionen über die gesamte Vertragslaufzeit. Durch die Investitionen werden der Region neue Arbeitsplätze versprochen, angesichts eines Niveaus der Arbeitslosigkeit von über 24 Prozent sicher nicht uninteressant. Der Verband der nordgriechischen Exportindustrie und auch der aktuelle, zuständige Syriza-Minister Kouroumblis (Schifffahrt und Inselpolitik) sind zufrieden. Der letztere zeigte sich in einem Radio-Interview erfreut über den Arbeitsfrieden, der während der Verkaufsverhandlungen geherrscht habe und deutete das Verhandlungsergebnis als Zeichen des Vertrauens der Investoren in die griechische Wirtschaft.

In diese Lobeshymnen stimmen die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft OMYLE nicht ein, die die Umwandlung eines entwicklungsstarken öffentlichen Unternehmens in ein privates Monopol kritisieren. Sie fordern den Erhalt des Hafens in öffentlicher Hand und die Beibehaltung der etablierten Arbeitsbeziehungen und der kollektive Verhandlungen. Die linke Tageszeitung EFSYN rechnete vor, dass der Kaufpreis für dieses profitable Unternehmen, das zudem über 80 Millionen Euro an liquiden Mitteln und 76 Millionen an Reserven verfügt, deutlich zu niedrig liegt.

Die Liste der einzelnen Privatisierungsprojekte ist endlos. Es handelt sich schlicht um einen umfassenden Ausverkauf nationalen Eigentums, von dem private und staatliche (Fraport!) Unternehmen im Ausland profitieren.

Die Quellen zu dem Artikel können bei der Redaktion angefordert werden. Allgemeine Informationen bietet auch: Egbert Scheunemann, Griechenlands Staatsbetriebe im Zwangsverkauf (http://de.rosalux.eu/fileadmin/user_upload/Publications/Privatisierung_Griechenland.pdf)

Zur Möglichkeit die Aktion gegen die Wasserprivatisierung durch die eigene Unterschrift zu unterstützen siehe:

https://weact.campact.de/petitions/wasser-ist-menschenrecht-stoppt-die-wasserprivatisierung-in-griechenland-1