Reaktionäre Politik produziert Massenelend

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Corona-Pandemie in den USA:

Von Christian Zeller

Die USA sind das Epizentrum der Corona-Pandemie. In rasender Geschwindigkeit verstarben in diesem Land über 50.000 Menschen an Covid-19. Diese beispielslose gesellschaftliche Katastrophe ist das Ergebnis einer komplett vernachlässigten Gesundheitsinfrastruktur, einer völlig ungenügenden Krankenversicherung und der verbrecherischen Politik der Trump-Administration.

Während in den USA die ersten Corona-Todesfälle bereits Anfang Februar auftraten – unerkannt und als Grippeopfer abgetan –, verharmloste Trump wochenlang das Virus. Mit einem Einreisestopp aus China und der Bezeichnung „Wuhan-Virus“ schürte er vorwiegend rassistische Ressentiments, anstatt das Land auf die Epidemie vorzubereiten. Erst am 16. März empfahl Trump, soziale und berufliche Kontakte zu reduzieren. Das Desaster war bereits voll im Gange, das Virus hatte sich verbreitet, nicht einmal ein einsatzfähiger Test war vorhanden.

Als mehr und mehr Bundesstaaten die Sache selbst in die Hand nahmen und zunehmend restriktivere Maßnahmen beschlossen, begannen die Fürsprecher der Kapitalinteressen die „Gesundheit der Wirtschaft“ der „Gesundheit der Menschen” gegenüberzustellen. Diese Position fand ihren pointiertesten Befürworter im texanischen Vize-Gouverneur Dan Patrick, der offen forderte, die Alten sollten ihr Leben opfern, um die US Wirtschaft zu retten.

Erst nach epidemiologischen Schätzungen, wonach 100 000 bis 240 000 Menschen in den USA sterben könnten, stimmte Trump die Bevölkerung auf extrem harte Zeiten ein. Mit über 50.000 Verstorbenen Ende April wird die Wirklichkeit diese Befürchtung wahrscheinlich bestätigen.

Auch in den USA schritt die Pandemie zeitlich und räumlich äußerst verdichtet voran. Besonders in New York spitzte sich die Situation zu. Die Krankenhäuser konnten die Erkrankten nicht mehr versorgen, das Personal infizierte sich massenhaft. Dutzende von Beschäftigten im Gesundheitswesen starben. Die vielen Toten mussten in provisorischen Massengräbern beerdigt werden.

Die afroamerikanische Bevölkerung leidet weit überdurchschnittlich. In Chicago deuten Statistiken darauf hin, dass schwarze Menschen sechsmal häufiger an Corona sterben als weiße. Farbige haben vielfach schlechtere Krankenversicherungen, leben in beengten Wohnungen. Haben kaum Möglichkeit zum Home-Office und wenig finanzielle Rücklagen. Sie arbeiten weit häufiger im ansteckungsgefährdeten Gesundheits- und Dienstleistungssektor. Die Pandemie bringt die massive Ungleichheit der US-Gesellschaft in brutaler Weise zum Ausdruck.

Rund 35 Prozent der Menschen in den USA sind nicht oder nur ungenügend krankenversichert. Mit dem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit – Ende April liegt die Arbeitslosenquote bei rund 20 Prozent – kamen nochmals rund 9,2 Millionen Menschen hinzu. Viele leiden an mangelhaft behandelten Krankheiten wie Diabetes oder Asthma, womit sie besonders gefährdet sind, an Covid-19 zu erkranken. Nun zeigen sich die zerstörerischen Konsequenzen der neoliberalen Austeritätspolitik und der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Der Staat ist nicht in Lage, die elementarsten menschlichen Bedürfnisse zu garantieren.

Die Pandemie hat die bereits anrollende Wirtschaftskrise förmlich explodieren lassen. Eilig beschloss der Kongress im März und April mehrere Rettungspakete in bislang unvorstellbarer Höhe von 2,5 Billionen US-Dollar. Damit sollen Konzerne – vor allem in der Öl-, Auto- und Luftfahrtindustrie – gerettet, das Arbeitslosengeld aufgestockt und Krankenhäuser stabilisiert werden. Die Haushalte erhalten Einmalzahlungen. Der Staat erweist sich als letzter Retter einer zusammenbrechenden Wirtschaft.

Zugleich gibt es vielfältige Formen des Protestes. Beschäftigte in einem Werk von General Electric streiken für den Umbau der Produktion zur Herstellung medizinischer Geräte. Beschäftigte in Amazon-Lager und Fahrpersonal von Busunternehmen kämpfen für geschützte Arbeitsbedingungen. Beschäftigte im Gesundheitswesen stellen sich mutig bewaffneten rechtsextremen Demonstranten in den Weg, die für die Aufhebung der lock down-Maßnahmen demonstrieren. Diese Aktionen zeigen, dass sich viele Menschen kraftvoll der unmenschlichen Regierungspolitik entgegenstellen. Sie bereiten damit den Boden für den Aufbau eines breiten gesellschaftlichen Widerstandes.

Christian Zeller lebt in Salzburg; er ist Professor für Wirtschaftsgeographie an der Universität Salzburg und aktiv bei Aufbruch für eine ökosozialistische Alternative (www.oekosoz.org).